Wie spielt man eine Musikapp richtig? – Gitarre spielen mit der App guitarism
Musikbusiness 14.08.2015
Smartphones und Tablets können mit Apps in ein Musikinstrument verwandelt werden. In den App Stores gibt es dafür eine vielfältige Auswahl, die von einfachen Soundtoys bis hin zu DJ-Anlagen, Drumcomputern, komplexen Synthesizern und mobilen Studios reicht. Die Spanne möglicher Umgangsformen reicht vom Experimentieren, Improvisieren, Arrangieren und Komponieren allein vor dem Gerät bis hin zum Ensemblemusizieren mit in Gruppen.
Viele Musikapps bieten eine Vielzahl an Steuerelementen und können mit zwei Händen gespielt werden. Im Vergleich zu Smartphones haben Tablets einen größeren Bildschirm, um Klaviertastatur, verschiedene Panels, Regler etc. graphisch auf dem Touchscreen darzustellen. Zudem lassen sich die mobilen Digitalgeräte für Musikmachen mit Apps um verschiedenes Equipment wie externe Soundkarten, Controller und Stative erweitern, die Musiker im Proberaum, im Studio oder auf der Bühne verwenden.
Aber wie spielt man nun auf Musikapps? Vorangestellt sei folgende Beobachtung: In unseren Workshops, Unterrichtsstunden, Musik-AGs oder Seminaren, in denen wir mit unterschiedlichen Gruppen Musik mit Apps machen, fällt immer wieder auf, dass Tablets zum Musizieren auf den Tisch gelegt werden. Aber wenn es um das Musikmachen etwa als Band geht, dann sieht das auf der Bühne nicht nur seltsam aus, sondern schränkt auch die Spielbewegung ein. Beobachtete Situationen wie diese waren Beweggrund dafür, sich einmal mit Spielweisen und die Veränderungen dieser Sielweisen durch Stative innerhalb von Ensemblesituationen in einer kurzen Serie von vier Blogbeiträgen auseinanderzusetzen.
Verbunden damit ist auch der Einblick in unterschiedliche Möglichkeiten populärer Musikapps. Dabei liegt das Augenmerk auf denjenigen Musikapps, die sich innerhalb unserer eigenen musikalischen und musikpädagogischen Praxis bewährt haben. Angefangen werden soll mit einer App, mit der man eine virtuelle Gitarre spielen kann.
Wie spielt man eine Musikapp nun richtig?
Eine etablierte Spielweise wie bei traditionellen Musikinstrumenten z.B. einer Violine, einer Gitarre oder eines Schlagzeugs hat sich für das digitale Musikmachen (noch) nicht entwickelt. Etablierte Spielweisen sind entweder sogenannte ergonomische, den Körper nicht strapazierende Vorgaben oder aber übliche, konventionelle Spielweisen in musikalischen Praxen nach dem Motto „Man spielt das Instrument eben so. Basta!“ Diese Konventionen erkennt man an den eigenen Irritationen, etwa wenn Salut Salon ihre Streichinstrumente in extremen Körperhaltungen spielen, der Koreaner Zack Kim Yong Woon†gleichzeitig zwei Gitarren wie ein Klavier spielt oder Bela B. im Stehen Schlagzeug spielt.
Die Programmierer von Apps geben unterschiedliche Spielkonzepte vor bzw. die Technik schränkt Nutzungsweisen ein. Beim Musikmachen erinnern die Spielweisen von Apps nicht selten an etablierte, konventionelle Nutzungsweisen wie beim SMS-Verfassen oder Games spielen. Aber dies lässt sich nicht generalisieren. Vielmehr eignen sich die Nutzer durch Erkunden individuelle Spieltechniken an, wodurch sich grundsätzlich verschiedene gegenüber stehen.
Guitarism: Einfach Gitarre spielen
Eine beliebte App zum Spielen von Gitarrensounds auf dem iPad ist guitarism. Das Erscheinungsbild der App ist einer Gitarre nachempfunden. Das Interface ist in zwei Bereiche aufgeteilt, die verschiedene Aufgaben erfüllen und jeweils mit einer Hand bedient werden: Auf dem einen Bereich des Bildschirms werden virtuelle Gitarrensaiten dargestellt. Diese können angeschlagen (strumming) oder einzeln gezupft (picking) werden. In einem zweiten Bereich lassen sich in sechs Feldern Akkorde wählen und individuell anpassen. Diese können während des Spiels mit der linken Hand gewechselt werden, während die rechte das gewünscht Anschlag- oder Zupfmuster spielt.
Wie das Video zeigt, lassen sich mit der App guitarism drei verschiedene Spieltechniken realisieren. Spielen in der Hand, angeschrägt oder flach auf dem Ständer.
Wird das Tablet in der Hand gehalten, so muss die haltende Hand gleichzeitig die Akkorde anwählen. Dies unterscheidet sich von der gewohnten Spielweise mindestens für Konzertgitarrist_innen. Bei einer klassischen Gitarre wird das Instrument im Sitzen auf dem Knie abgesetzt. Die Hand greift allein die Akkorde, was durch einen speziell geformten Gitarrenhals unterstützt wird. Das Tablet ist mit aufgrund seiner Bauweise im Vergleich zu seinem realen Vorbild auf eine solche Handhabung nicht ausgelegt und verkompliziert somit ein Spielen ohne Hilfsmittel.
Allerdings werden auch herkömmliche Gitarren – akustische wie elektronische – in den seltensten Fällen allein von den Händen gehalten. Stattdessen werden diese Instrumente entweder auf dem Knie abgelegt (im Sitzen), mithilfe eines Gitarrengurtes getragen oder sogar in speziell angefertigten Gitarrenspielständer fixiert. Die Nutzung von Gurten, Ständern und Stativen als Hilfsmittel zum Halten des Instrumentes ist von vielen traditionellen Instrumenten wie Gitarre oder Schlagzeug ist bekannt. Vor diesem Hintergrund liegt die Nutzung eines Statives beim Musikmachen mit Tablets nahe.
Flexibel mit dem Stativ
Wie für herkömmliche Instrumente, sind auch für iPads angepasste Halterungen und robuste Stative verfügbar, die das beidhändige Spielen ermöglichen. Durch eine geeignete Wahl von Höhe und Neigungswinkel des Stativaufsatzes kann das iPad optimal positioniert werden. Will man eine übliche Gitarrenhaltung einnehmen, kippt man das iPad so, dass die Glasplatte vom Spieler weggerichtet ist, wie das Schallloch der Gitarre. Das Konzertvideo vom DigiEnsemble Berlin kann man hiervon einen Eindruck erhalten.
Das iPad ist im Stativ sicher fixiert, sodass man sich keine Sorgen machen muss, es beim Spielen versehentlich aus der Hand zu verlieren.
Selbstverständlich kann das Tablet ebenso horizontal im Stativ befestigt werden. In dem Moment erinnert das Spielen jedoch nur noch wenig bis gar nicht an konventionelles Gitarrenspiel (im weitesten Sinne auch an die Spieltechnik einer Hawai-Gitarre), sondern eher an das mit einem Keyboard oder Schlagzeug. Jedoch ist das „Zupfen“ auf der App guitarism dadurch leichter, da man genau sehen kann, welche der virtuellen Saiten man aktiviert.
Fazit
Grundsätzlich sind also mit der App guitarism sowohl jene Spielweisen möglich, bei der das iPad in der Hand gehalten wird als auch solche, bei denen es im Stativ fixiert ist. In unseren eigenen Versuchen erwies sich vor allem dann, wenn eine größere Anzahl von Akkorden gleichzeitig benötigt und virtuose gespielt wird, das Stativ als nützliches Hilfsmittel.