Musikrechte lizenzieren 

Musik ist ja nicht wirklich greifbar. Einen Ton kannst Du nicht verkaufen. Ein Medium, auf dem sich ein Ton befindet, hingegen schon. Bei allem, was nicht in die Hand genommen werden kann, sprechen wir von „Rechten“. Und diese Rechte gehören jemandem, können eingeräumt, übertragen und in den USA sogar verkauft werden.
Soweit so schön.

Hier der Disclaimer: Der Autor (das bin ich) ist kein Rechtsanwalt und gibt hier keinerlei Rechtsberatung. Befrage Ärzte oder Apotheker. Vielmehr hat der Autor jedoch täglich mit Musikrechten zu tun, nämlich dann, wenn er Fernsehsendern und Filmproduktionsfirmen die Rechte einräumt, seine Musik in ihren Produktionen zu verwenden. Ein Buch hat er auch dazu geschrieben. Okay, das sollte genügen. Schluss mit der dritten Person. 

Fangen wir damit an, welche Rechte überhaupt an Deiner Musik existieren. 
Du schreibst einen Song, und ja, Du hast es bestimmt schon überall gehört, in diesem Moment wirst Du auch schon zum Urheber Deines Liedes. Vorausgesetzt, Du hast ihn wirklich selbst frei erfunden. Folglich gehören Dir damit auch die berühmten Urheberrechte an Deinem Song.  

Bisher schwirrt die Idee aber nur in Deinem Kopf herum und Du kannst sie bestenfalls jemandem vorsingen. Um Dein Werk aber für die Ewigkeit festzuhalten, musst Du es aufnehmen. Es entsteht dann also eine Aufnahme mit Deinem Song: man hört, was Du gespielt, gesungen und produziert hast. Voilà, die Rechte an der Aufnahme, meistens als „Masterrechte“ bezeichnet. Und wenn Du diese Aufnahme komplett alleine angefertigt hast, gehören Dir die Masterrechte ganz alleine.  

Diese beiden Rechte sind die, um die es geht, wenn Du Deine Musik für einen Film, eine Fernsehsendung, einen Werbespot oder ein Computerspiel hergeben willst.  

Vielleicht gelingt Dir so etwas auch komplett im Alleingang, womöglich brauchst Du aber auch ein paar Helfer dazu. Wir gehen einmal von letzterem aus, nicht weil ich Dich nicht für fähig halte, sondern damit Du das Thema noch besser und vollumfänglich begreifen kannst.  

Schauen wir uns einmal genauer an, wer noch an den Urheberrechten sowie an den Masterrechten beteiligt sein kann, bevor wir uns in die Praxis stürzen.   

Beteiligte an den Urheberrechten  

Ganz klar, an den Urheberrechten sind alle beteiligt, die an der Komposition Deines Songs mitgewirkt haben. In den wohl meisten Fällen geben Urheber, also die Komponisten und Textdichter, ihre Musikstücke einem Musikverlag. Schön, wenn Du einen engagierten Verlag findest, der Deinen Song aktiv bei Fernsehsendern, Produktionsfirmen, Werbeagenturen und Spieleherstellern bewirbt. Es gibt solche Verlage, die genau darauf spezialisiert sind. Sie nennen sich dann in der Regel „Music Library“ oder „Music Boutique“.  

Als Anerkennung für seine Leistungen, räumst Du Deinem Verlag die Verlagsrechte an Deinem Song ein. Der Verlag wird also künftig, wenn Dein Song durch seine Bemühungen öffentlich „läuft“, von der GEMA den Verlagsanteil der Tantiemen erhalten, welche die GEMA zum Beispiel von den Fernsehsendern kassiert hat. Der Anteil des Verlages beläuft sich bei der GEMA auf 33,3% der ausgezahlten Tantiemen. Die übrigen 66,6% bekommst Du oder teilst sie Dir mit anderen Urhebern auf, wenn sie an Deinem Song als Komponisten oder Textdichtern mitgewirkt haben.  

In den USA werden die Urheber- und Verlagsanteile übrigens 50:50 geteilt. Das kann insofern für Dich interessant sein, da die USA einen sehr großen Nährboden für Musiklizenzierungen bereitstellen. 

Beteiligte an den Masterrechten  

An einer fertigen Musikaufnahme Deines Songs sind all jene mitbeteiligt, die an der Aufnahme und Produktion mitgewirkt haben: Du, die Produzenten, Tontechniker und auch mögliche Studiomusiker. Produzenten, Techniker und Studiomusiker bezahlst Du in der Regel mit einer einmaligen Gage und lässt Dir dabei – vertraglich! – ihre Leistungsschutzrechte übertragen. Du musst sie dann, wenn Deine Aufnahme Geld einspielt, nicht mehr daran beteiligen (selbstverständlich darfst Du Dich auch anders mit ihnen einigen). Stattdessen erhalten Produzenten, Techniker und Studiomusiker dann von der GVL ein „Zubrot“, wenn Dein Song weiter verwertet wird. Doch das ist eine Wissenschaft für sich.  

Im Normalfall holst Du Dir eine Plattenfirma mit ins Boot, damit diese die fertige Aufnahme Deines Songs in die Welt hinaus schickt, damit sie Geld verdienen kann. Sei es auf Tonträgern, per Download, per Stream oder eben in Film oder Fernsehen.  

Damit die Plattenfirma all das für Dich tun darf, musst Du ihr die Genehmigung dazu erteilen, indem Du ihr die Rechte an Deiner Aufnahme, also die Masterrechte, einräumst.  

Wenn es nun der Plattenfirma gelingt, Deinen Song zum Beispiel in einem Film unterzubringen, erteilt sie der Produktionsfirma eine Lizenz. Man nennt sie „Masterlizenz“. Und die kostet Geld. Je nach Deiner Bekanntheit kann es sich dabei um ein paar Hundert Euro handeln oder auch um sechsstellige Beträge.  

Das Geld, das die Plattenfirma dafür einnimmt, teilt sie gleichermaßen 50:50 mit Dir. Das ist jedenfalls der internationale Industriestandard.   

Fazit  

Jetzt, da ein Musikverlag das Sagen über Deine Komposition hat und die Plattenfirma über Deine Aufnahmen bestimmen kann, müssen sich all jene, die Deine Musik nutzen wollen sowohl vom Verlag als auch von der Plattenfirma eine Genehmigung dazu einholen:
  

Vom Verlag, um die Komposition zu nutzen.
Von der Plattenfirma, um die Aufnahme davon zu verwenden.
  

Merke Dir das. Bitte. Dringend.  

Was, wenn Du aber weder Verlag noch Plattenfirma hast? Dann herrschst Du ganz alleine über Deine Komposition und über ihre Aufnahme. Du bist somit Urheber, Verlag und Plattenfirma in einem und kannst sämtliche Lizenzen eigenhändig gewähren, sowohl für die Nutzung der Komposition als auch für die Verwendung der Masteraufnahme. Ich halte es aber für wichtig, dass Du Dir dabei Deiner unterschiedlichen Rollen als Verlag auf der einen Seite und als Plattenfirma auf der anderen bewusst bist, denn nur so verstehst Du wirklich, wie dieses Geschäft läuft.   

Zwei Einkommensströme  

Wenn Deine Musik einmal in einem, sagen wir, Fernsehfilm platziert worden ist, wirst Du zweimal Geld bekommen:  

Einmal die Masterlizenz (die bekommst Du sofort von der Produktionsfirma gezahlt), und dann noch in Form von Tantiemen, wenn der Film mit Deiner Musik im Fernsehen gesendet wird. Das wird sich etwas länger hinziehen, da die Tantiemen zunächst von der GEMA kassiert werden müssen, ehe sie dann gemäß ihrem Ausschüttungsplan an Dich ausbezahlt werden.  

Wie kannst Du Deinen Song platzieren?  

Der direkte Weg in Filme und größere Fernsehproduktionen erfolgt über sogenannte Music Supervisors. Diese sind entweder bei den Produktionsfirmen und Sendern direkt angestellt oder handeln als Freiberufler in deren Auftrag. Ihre Aufgabe ist es, die passende Musik zu finden und, wie man so schön sagt, die Rechte daran zu klären. Sprich, die notwendigen Lizenzen einzuholen.  

Bei kleineren Fernsehproduktionen sind es die Musikeditoren oder gleich die Mitarbeiter im Schneideraum, die sich um die Musik kümmern, bei low-budget Indiefilmen sind meistens die Regisseure Deine Ansprechpartner.  

Klingt alles ganz nett, wären diese Menschen nicht so schwer zu finden und noch schwerer zu überzeugen. Über 100 Musikzusendungen bekommen sie jeden Tag zugeschickt, da ist die Chance unterzugehen leider recht groß. Gibt es Alternativen? Ja.   

Music Library / Music Boutique  

Von denen hast Du weiter oben schon gelesen. Sie vereinen die Tätigkeit von Musikverlag und Plattenfirma und dienen somit als alleiniger Ansprechpartner für mögliche Musiknutzer. Das beschleunigt den Lizenzierungsprozess ungemein.  

An diese Libraries oder Boutiquen kannst Du Dich wenden und sie bitten, Deinen Song – oder mehrere – in ihr Programm aufzunehmen und anzubieten. Dafür gewährst Du ihnen sowohl den Verlagsanteil an Deiner Komposition sowie die üblichen 50% an den Masterlizenzen.  

Achte bitte bei richtigen „gesungenen“ Songs darauf, dass Du der Library sämtliche Rechte nur auf nicht-exklusiver Basis einräumst, so dass Du weiterhin das Recht hast, Deine Songs selbst zu veröffentlichen, live aufzuführen oder auch selbst in Filmen zu platzieren, ohne dass die Library daran mitverdient.  

Falls Du Dich entscheidest, funktionelle rein instrumentale Hintergrundmusik zu machen, sind exklusive Verträge mit den Libraries in Ordnung, inzwischen fast sogar schon Standard.    

Sync Agent  

Ein Sync Agent ist jemand, der für Dich auf die Suche geht, Deinen Song in Filmen, im Fernsehen, in Werbespots und Computerspielen zu platzieren. Das Wort „Sync“ kommt hier von „synchronisieren“, ein Begriff, der in der Branche gerne verwendet wird. Gemeint ist das in-Einklang-bringen von Musik und bewegten Bildern.  

Der Sync Agent wird sich überwiegend um Gelegenheiten für Dich und Deinen Song bemühen, die vernünftige Masterlizenzen abwerfen. Dafür wird er eine Beteiligung an den Einnahmen verlangen, die von einer üblichen Agenten- oder Managerbeteiligung von rund 20% hinreichen kann bis zu den 50%, die eine Plattenfirma oder Library für die Vergabe der Masterrechte bekommen würde.  

Jetzt hast Du die Grundlagen der Lizenzierung von Musik kennengelernt. Das Thema ist eine der wenigen Konstanten im Musikgeschäft geblieben und wird auch von den großen Plattenfirmen wieder zunehmend verstärkt betrieben. Hier ist eben noch gutes Geld verdient.  

 

Viele Grüße,
Julian Angel
vom Magazin musicbizmadness

 

KI Blues

Wenn mitten auf dem Marktplatz eine geladene Schusswaffe liegt, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Zahlreiche Menschen haben doch schon in Vorträgen den verantwortungsvollen Umgang damit gepredigt. Okay, mag sein. Doch irgendeiner wird das Teil nehmen und damit eine Bank ausrauben, um sich das Geld zu holen, für das andere sehr lange arbeiten mussten.
Passt die Allegorie, oder ist sie zu extrem?
Irgendjemand wird sich der künstlichen Intelligenz bedienen, um in einem Bruchteil der Zeit ein Vielfaches dessen zu kreieren, wozu Normalsterbliche im Stande sind. Erst vor kurzem hat mir jemand erzählt, wie ein Spezl täglich zwei Top Songs „heraushaut“ – mit KI.

Aufhalten werden wir das ganze nicht. Aber auch die Industrie wird dem keinen Riegel vorschieben können, so wie sie es sich aktuell noch erträumt. Uploadfilter und so weiter. Vergütung der Originalstimmen. Gib mir einfach kurz Gelegenheit, ein paar dieser Mythen zu kommentieren. Vielleicht verleitet es doch noch ein paar wenige zum Nachdenken. Falls ich falsch liegen sollte, freue ich mich tatsächlich.

KI ist nur da, um den Workflow zu ergänzen

Vielleicht haben wir beide noch genug Stolz, um es bei der Suche nach Reimwörtern zu belassen. Irgendjemand wird aber wie ein multiinstrumentales Genie Darbietungen abliefern, die unsere in den Schatten stellen werden. Und dann wird man uns sagen „Hey, nimm Dir mal ein Beispiel an dem da. Der Hammer!“ Und der wird immerhin lange genug den Schein aufrecht erhalten können, um sich ein geiles Leben zu machen.

KI kann echte menschliche Emotionen nicht ersetzen

Das stimmt. Aber wen interessiert es? Wenn ich versehentlich beim typischen Formatradio mit Nachmittagsgewinnspielen vorbeischalte, höre ich kaum noch Musik mit echten Instrumenten, jedenfalls nicht im Tagesprogramm. Und die Gesänge sind nicht selten bis zur Unmenschlichkeit hin bearbeitet. Und ganz ehrlich, bevor ich selbst Musik gemacht habe, hatte auch ich einen Drumcomputer für ein echtes Schlagzeug gehalten. Lange hat es gedauert, bis ich wusste, wer Doktor Avalanche ist. Und ich beginne wieder mit „und“: Und in vielen Fällen müssen wir schon jetzt unsere akustischen Musikproduktionen an der Klangqualität virtueller Instrumente messen lassen.

KI generierte Musik ist in Bezug auf Copyrightverstöße riskant

Die künstliche Intelligenz „komponiert“ genau wie wir auch, sie setzt altes Gehörtes neu zusammen. Zwei Töne von dem einen Song, drei von dem anderen, kombiniert mit der Rhythmik weiterer Musikstücke, und irgendwann wird man nicht mehr erkennen können, woran sie sich bedient hat. Und wo kein Kläger, dort auch kein Richter. Würdest Du bemerken, wenn jemand bei Dir geklaut hat? Gibt es eine Datenbank mit allen bisher veröffentlichten Aufnahmen, mit der automatisch regelmäßig abgeglichen wird?

KI wird von Uploadfiltern erkannt

Einige Digitalvertriebe arbeiten an Filtern, die angeblich künstlich-intelligent generierte Musikaufnahmen erkennen sollen, um solche Titel dann abzulehnen. Mag vielleicht sein, dass dies bei einigen zu hundert Prozent künstlich generierten Songs funktioniert. Doch was, wenn nur die Basis künstlich ist und der Rest von Hand dazugespielt wurde? Oder wenn KI den fertigen Song ausgespuckt und der „Musiker“ ihn noch einmal selbst nachgebastelt hat?

KI generierte Musik kann man nicht live spielen…

… weil viele ihrer Kreatoren gar kein Instrument spielen können. Ja und? Auch heute schon sind DJs für viele die günstigere mit weniger Logistik und Personal verbundene Alternative. Und wenn Menschen schon einem von KI geschaffenen Model hinterherlaufen und es für Aufträge buchen, dann werden sie sich auch bald Leinwandshows und Hologramme ansehen und ihnen ihre Unterhosen auf die Bühne werfen. Oh halt, gibt es das nicht schon in Fernost?

Es gibt Vergütungen für gefakte Originalstimmen

Allmählich entstehen Gesetze, welche die Rechte an der eigenen Stimme schützen sollen („ELVIS Act“). Doch wie niedrig wird die Vergütung für diejenigen ausfallen, die ihre Stimme frei- oder unfreiwillig hergegeben haben? Auch dazu bräuchte es eine Stimmendatenbank, mit der wiederum abgeglichen wird, und die trotz aller Effekthascherei verlässlich identifiziert. Kann auch identifiziert werden, wenn jemand wie bei einem Synthesizer mehrere Stimmen übereinandergelegt hat? Erneut kommt die Frage auf: Würdest Du es mitbekommen, geschweige denn erkennen, wenn Deine Stimme plötzlich einen fremden Song singt? Bestimmt nicht, wenn sie von einem Songwriter gekapert wurde, der lediglich eine schönere Stimme für ein Demo haben wollte (während Du noch einen echten Sänger oder eine Sängerin dafür bezahlst).

Ich selbst habe keine Angst vor künstlich generierter Musik. Ich habe allerdings meine Bedenken davor, wenn viele „Musiker“ sie vollumfänglich nutzen und ihre Abnehmer sie irgendwann akzeptieren werden. Dann werde ich mit dem Produktionstempo nicht mehr mithalten können, hinzu kommt, dass durch künstliche Massenproduktion der Preis des fertigen Produktes gewiss nicht steigen wird.

Aktuell verklagt die Recording Industry Association of America (RIAA) die KI-Musikgeneratoren Suno und Udio auf Urheberrechtsverletzung (Juni/Juli 2024). Schließlich sei deren künstliche Intelligenz mit Hilfe des Musikkatalogs der von der RIAA repräsentierten Labels trainiert worden und rufe folglich ständig Elemente der darin enthaltenen Songs ab, um sie neu zusammenzusetzen. Der Definition nach dürfte die RIAA hier richtig liegen. Auch die GEMA hat als weltweit erste Verwertungsgesellschaft Klage gegen OpenKI wegen Urheberrechtsverletzungen erhoben.

Sorry, falls ich Dir den Tag versaut habe. Trotzdem Kopf hoch!! 🙂
Viele Grüße,
Julian Angel
vom Magazin musicbizmadness

 

Spotify’s 1.000-Streams-Regel: weitermachen oder Alternativen suchen?

Als Spotify neu auf den Markt kam, waren wir uns alle nicht sicher: Was ist das überhaupt? Spotify sollte das herkömmliche Radio ersetzen, indem seine Nutzer ihre Lieblingssongs direkt anwählen können – rund um die Uhr, beliebig oft, zu einem monatlichen Preis, der in etwa ein Drittel weniger beträgt als der Kauf einer Longplay-CD.

Daran hat sich im Grunde nichts geändert, nur dass sich inzwischen bewahrheitet hat, was viele Musiker befürchtet hatten: Streaming ersetzt für viele Fans den Tonträgerkauf. Und genau das bekamen vor allem selbstvermarktende Musiker heftig zu spüren, denn die zehn bis fünfzehn Euro, die man sich bei einer verkauften CD einstecken kann, lassen sich über Streamingportale nur sehr mühsam verdienen. 300 bis 500 mal müsste sich ein Fan ein Album mit zehn Tracks anhören, damit die Musiker dahinter genau so viel verdienen wie an einer CD oder einem bezahlten Download. Das erfordert ungleich mehr und vor allem regelmäßige Überzeugungsarbeit als beim Verkauf einer runden Scheibe.

Aber immerhin hat Spotify für viele Fans eine Entdeckungsfunktion, über die sie neue Musik finden und kennenlernen können. Entdecken sie dabei aber auch kleine unbekannte Selbstvermarkter? Die Chance ist eher gering. Laut dem Luminate Report für das Jahr 2023 ergattern 86.2% aller bei Spotify verfügbaren Songs weniger als 1.000 Streams pro Jahr. Das entspricht übrigens drei Euro pro Song, 30 für ein Album – der Preis von zwei CDs, aber das nur am Rande.

 

Und nun kommt Spotify mit einem neuen Hammer daher:
Songs, die in einem Jahr weniger als 1.000 Streams verzeichnen können, sollen nicht mehr vergütet werden, also immerhin stolze 86.2% des verfügbaren Materials. Nach außen hin möchte man damit den Tracks das Leben erschweren, die nur aus in unzählige Häppchen zu 31 Sekunden zerschnittenen Geräuschen bestehen wie den ominösen Walgesängen oder einfach nur White Noise.

Tatsächlich kann man hier aber eine Kostenersparnis durch Streichung aufwendiger Verwaltungsarbeit riechen. Ja, Spotify muss seinen Anlegern langsam einmal Gewinne präsentieren, schließlich war der Laden bis einschließlich 2023 noch nie rentabel gewesen.

 

Was bedeutet das nun für Musiker, gerade für solche, die sich komplett selbst vermarkten?
Okay, auf drei Euro mehr oder weniger kommt es am Ende wohl auch nicht an. Dennoch ist es ärgerlich, dass ein Dienst wie Spotify auch an diesen wenig gespielten Songs Geld verdient, selbst aber keines davon an die betreffenden Musiker weitergeben mag.

Die große Frage, die wir uns stellen sollten, ist diese: Verstärken wir unsere Bemühungen auf Spotify, um mit jedem Song die Tausendermarke zu knacken, oder sehen wir uns lieber nach einer Alternative um?

Wenn wir uns aber das oben beschriebene Verhältnis von Aufwand und Ertrag ansehen, stellen wir ungemein fest, dass wir an einem Stück verkaufter Musik, sei es eine CD, eine Schallplatte oder ein Download, wesentlich mehr Geld verdienen als mit Streams – und das auch noch schneller, denn wer einmal ein Album gekauft hat, hat gezahlt und muss nicht ständig wieder zum Anhören animiert werden.

 

Und da spielt uns noch ein MIDiA Bericht aus dem letzten Jahr in die Hände:
echte Musikliebhaber suchen und finden Musik jenseits der sozialen Medien und Streamingdienste, so die Analysten aus der Unterhaltungsbranche. Aber was sind „echte Musikliebhaber“? Definiert wurden sie hier als Menschen, die Musikrichtungen jenseits der gängigen Trends hören und bereit sind, dafür monatlich über 100 Dollar auszugeben. Das klingt doch gut. Sollten wir uns lieber auf solche Fans fokussieren? Und wo finden wir sie?

Auch hierauf lieferte uns der genannte Bericht eine Antwort. Echte Fans lesen Magazine und Musikblogs, in denen neue Alben vorgestellt werden. Und die gibt es tatsächlich in fast jeder erdenklichen Musikrichtung. Damit nicht genug, teilen sich viele davon sogar noch bis in obskure Subgenres auf, was uns eine noch gezieltere Ansprache der potentiellen Fans ermöglicht.

Und da stellt sich natürlich die wichtigste Frage: Schreiben die auch über kleine Selbstvermarkter wie wir welche sind? Tatsächlich tun das viele, oft sogar ohne das unangenehme „Unsigned“ oder „Homerecording“ Stigma. Machen wir uns doch mal auf die Suche anhand von Begriffen wie

Blog, Magazin, Rezensionen, Reviews, Underground Reviews, Albumkritiken, Website, Webzine. 

jeweils in Verbindung mit unserer musikalischen Stilrichtung. Am Ende finden wir sogar eine ganze Menge davon, nehmen Kontakt auf und bekommen so eine nette bis sehenswerte Medienkampagne zusammen. Mit sechs in Eigenregie veröffentlichter Alben kann ich bestätigen, dass es sich lohnt.

 

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Über Julian Angel
Julian Angel macht Musik für Hollywoodfilme und fürs Fernsehen, überwiegend in den USA. Des weiteren hat er als Solo-Act und mit seinem Bandprojekt Beautiful Beast bisher sechs Alben in kompletter Eigenregie veröffentlicht und vermarktet. 2021 erschien sein Buch „Music. Sync. Money“. Seit über zehn Jahren betreibt Julian die Website MusicBizMadness.de.