Spotify’s 1.000-Streams-Regel: weitermachen oder Alternativen suchen?

Musikbusiness 08.05.2024
Julian Angel Gastblogger

Als Spotify neu auf den Markt kam, waren wir uns alle nicht sicher: Was ist das überhaupt? Spotify sollte das herkömmliche Radio ersetzen, indem seine Nutzer ihre Lieblingssongs direkt anwählen können – rund um die Uhr, beliebig oft, zu einem monatlichen Preis, der in etwa ein Drittel weniger beträgt als der Kauf einer Longplay-CD.

Daran hat sich im Grunde nichts geändert, nur dass sich inzwischen bewahrheitet hat, was viele Musiker befürchtet hatten: Streaming ersetzt für viele Fans den Tonträgerkauf. Und genau das bekamen vor allem selbstvermarktende Musiker heftig zu spüren, denn die zehn bis fünfzehn Euro, die man sich bei einer verkauften CD einstecken kann, lassen sich über Streamingportale nur sehr mühsam verdienen. 300 bis 500 mal müsste sich ein Fan ein Album mit zehn Tracks anhören, damit die Musiker dahinter genau so viel verdienen wie an einer CD oder einem bezahlten Download. Das erfordert ungleich mehr und vor allem regelmäßige Überzeugungsarbeit als beim Verkauf einer runden Scheibe.

Aber immerhin hat Spotify für viele Fans eine Entdeckungsfunktion, über die sie neue Musik finden und kennenlernen können. Entdecken sie dabei aber auch kleine unbekannte Selbstvermarkter? Die Chance ist eher gering. Laut dem Luminate Report für das Jahr 2023 ergattern 86.2% aller bei Spotify verfügbaren Songs weniger als 1.000 Streams pro Jahr. Das entspricht übrigens drei Euro pro Song, 30 für ein Album – der Preis von zwei CDs, aber das nur am Rande.

 

Und nun kommt Spotify mit einem neuen Hammer daher:
Songs, die in einem Jahr weniger als 1.000 Streams verzeichnen können, sollen nicht mehr vergütet werden, also immerhin stolze 86.2% des verfügbaren Materials. Nach außen hin möchte man damit den Tracks das Leben erschweren, die nur aus in unzählige Häppchen zu 31 Sekunden zerschnittenen Geräuschen bestehen wie den ominösen Walgesängen oder einfach nur White Noise.

Tatsächlich kann man hier aber eine Kostenersparnis durch Streichung aufwendiger Verwaltungsarbeit riechen. Ja, Spotify muss seinen Anlegern langsam einmal Gewinne präsentieren, schließlich war der Laden bis einschließlich 2023 noch nie rentabel gewesen.

 

Was bedeutet das nun für Musiker, gerade für solche, die sich komplett selbst vermarkten?
Okay, auf drei Euro mehr oder weniger kommt es am Ende wohl auch nicht an. Dennoch ist es ärgerlich, dass ein Dienst wie Spotify auch an diesen wenig gespielten Songs Geld verdient, selbst aber keines davon an die betreffenden Musiker weitergeben mag.

Die große Frage, die wir uns stellen sollten, ist diese: Verstärken wir unsere Bemühungen auf Spotify, um mit jedem Song die Tausendermarke zu knacken, oder sehen wir uns lieber nach einer Alternative um?

Wenn wir uns aber das oben beschriebene Verhältnis von Aufwand und Ertrag ansehen, stellen wir ungemein fest, dass wir an einem Stück verkaufter Musik, sei es eine CD, eine Schallplatte oder ein Download, wesentlich mehr Geld verdienen als mit Streams – und das auch noch schneller, denn wer einmal ein Album gekauft hat, hat gezahlt und muss nicht ständig wieder zum Anhören animiert werden.

 

Und da spielt uns noch ein MIDiA Bericht aus dem letzten Jahr in die Hände:
echte Musikliebhaber suchen und finden Musik jenseits der sozialen Medien und Streamingdienste, so die Analysten aus der Unterhaltungsbranche. Aber was sind „echte Musikliebhaber“? Definiert wurden sie hier als Menschen, die Musikrichtungen jenseits der gängigen Trends hören und bereit sind, dafür monatlich über 100 Dollar auszugeben. Das klingt doch gut. Sollten wir uns lieber auf solche Fans fokussieren? Und wo finden wir sie?

Auch hierauf lieferte uns der genannte Bericht eine Antwort. Echte Fans lesen Magazine und Musikblogs, in denen neue Alben vorgestellt werden. Und die gibt es tatsächlich in fast jeder erdenklichen Musikrichtung. Damit nicht genug, teilen sich viele davon sogar noch bis in obskure Subgenres auf, was uns eine noch gezieltere Ansprache der potentiellen Fans ermöglicht.

Und da stellt sich natürlich die wichtigste Frage: Schreiben die auch über kleine Selbstvermarkter wie wir welche sind? Tatsächlich tun das viele, oft sogar ohne das unangenehme „Unsigned“ oder „Homerecording“ Stigma. Machen wir uns doch mal auf die Suche anhand von Begriffen wie

Blog, Magazin, Rezensionen, Reviews, Underground Reviews, Albumkritiken, Website, Webzine. 

jeweils in Verbindung mit unserer musikalischen Stilrichtung. Am Ende finden wir sogar eine ganze Menge davon, nehmen Kontakt auf und bekommen so eine nette bis sehenswerte Medienkampagne zusammen. Mit sechs in Eigenregie veröffentlichter Alben kann ich bestätigen, dass es sich lohnt.

 

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Über Julian Angel
Julian Angel macht Musik für Hollywoodfilme und fürs Fernsehen, überwiegend in den USA. Des weiteren hat er als Solo-Act und mit seinem Bandprojekt Beautiful Beast bisher sechs Alben in kompletter Eigenregie veröffentlicht und vermarktet. 2021 erschien sein Buch „Music. Sync. Money“. Seit über zehn Jahren betreibt Julian die Website MusicBizMadness.de.


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